Alt-statt-Neu-Phänomen
Das Neu-für-Alt-System ist im Versicherungswesen bei Neuwertversicherungen bekannt: obwohl die Sache, die zerstört, beschädigt oder abhanden gekommen ist, nicht mehr neu war, gibt es einen Ersatz auf Basis des Neuwertes.
Nur bei Zeitwertregulierungen wird für Alter und Abnutzung eine Abwertung vorgenommen.
Seit Jahren beobachte ich ein Phänomen in der Schadenregulierung, zu dem viele Regulierer und Sachverständige neigen: das "Alt-für-Neu-Phänomen".
Bei diesem Phänomen wird bei der Neuwertregulierung von Sachen, die im Zeitwert weit unter dem Neuwert liegen, eine "Alt-für-Neu"-Korrektur vorgenommen, mit dem Ergebnis, dass die Neuwertregulierung unter dem tatsächlichen Neuwert liegt.
Entschuldigend muss angemerkt werden, dass man diesem Phänomen nicht immer widerstehen kann, ob bewusst oder unbewusst.
So ist z.B. ein im Ausbau heruntergekommenes Haus, bei dem der Zeitwert der Ausbaugewerke in Richtung 0 tendiert der Neuwertschaden so hoch wie bei einem vergleichbaren Schaden eines Gebäudes in einem guten Zustand. Genaugenommen handelt es sich in solchen Fällen -wenn bei dem Schaden niemand persönlich betroffen war- für eine Bereicherung der Versicherungsnehmer, was aber eben zulässig ist.
Nun gibt es Versicherungsnehmer, denen die Schadebearbeiter dies zubilligen, anderen Versicherungsnehmern wird dieser Zugewinn nicht gegönnt. Entscheidungen in diesem Bereich sind nicht immer sachlich fundiert und werden oft emotional (aus einem falschen Gerechtigkeitssinn heraus) getroffen.
Abhilfe wäre z.B. zu schaffen, wenn beschädigte Sachen unter einem bestimmten Zeitwert nur noch mit dem Zeitwert reguliert werden, ähnlich bei den gewerblichen Versicherungen. Hier wird allerdings vom Zeitwert des Gesamt-Gebäudes ausgegangen, der ist insgesamt selten unter 40 % durch einen meist intakten Rohbau. Vielmehr müsste der Zeitwert der einzeln betroffenen Bauteile oder Gewerke diese Grenze nicht unterschreiten um zu einer Neuwertregulierung zu kommen.
Da dieser Vorschlag schnelle Regulierungen nicht unterstützt, ist er eher nicht umsetzbar.
Die Bearbeiter müssen daher weiter mit diesem Widerspruch leben, aber für eine faire Regulierung objektiv den Neuwert und den Zeitwert ermitteln.
o-nagel
(
gelöscht
)
#2 RE: Alt-statt-Neu-Phänomen
Die geschilderte Erfahrung kann ich (leider) aus meiner alltäglichen Praxis bestätigen. Auch ist feststellbar, dass in manchen Köpfen der Schadenregulierer auch im privaten Sachschadenbereich (z.B. VGB-Verträge) die 40%-Regelung (noch immer?) irrtümlich verankert ist. Ausschlaggebend ist für die ausschließliche Zeitwertentschädigung ist m.E. insbesondere der Umstand inwiefern die Sache noch für den Gebrauch bestimmt war und zudem genutzt wurde (z.B. die durch Abnutzung (vor-) beschädigten Tapeten in einem immer noch bewohnten Raum = Neuwertentschädigung im Schadenfall. So wird es nach den mir vorliegenden Informationen auch in der Rechtsprechung überwiegend umgesetzt. Für mich nachvollziehbar.
Die Differzierung zwischen Neuwert- u. Zeitwert ist in der Verträgen teils individuell und unmissverständlich geregelt. Wie theoretisch eine ZW Ermittlung zu erfolgen hat ist ebenfalls bekannt. Oft entstehen die vorbezeichneten Unterschiede meist aufgrund unkenntnis der SB des VR (ausnahmen), des SV und ggf. Regulierer. Der letztgenannte richtet sich ausschließlich nach den Vorgaben seines Arbeitgebers.
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